Physiotherapeuten/-innen können als Schnittstelle zwischen dem ersten und zweiten Gesundheitsmarkt bezeichnet werden. Dies bietet ihnen eine große Chance in der Etablierung eines eigenen gesundheitsorientierten Fitnessstudios neben der physiotherapeutischen Praxis. Ähnliche Chancen sind selbstverständlich auch für Fitnessstudios, die eine Physiotherapie an ihre Anlage andocken wollen, zu sehen. Dementsprechend kann dieser Beitrag auch, trotz der gewählten Überschrift, als Denkanstoß für Inhaber eines gesundheitsorientierten Fitnessstudios verstanden werden, welche an der Etablierung einer eigenen Physiotherapeutischen Praxis interessiert sind.

Die folgende Analyse soll im Wesentlichen die Chancen und Risiken der Gründung eines eigenen Fitnessstudios für Inhaber einer Physiotherapiepraxis beleuchten. Die Chancen sollen diesbezüglich Praxisinhabern eine Argumentationshilfe für die Gespräche mit potenziellen Kreditgebern oder Investoren bieten. Die dargestellten Risiken wiederum sollen einen Denkanstoß für das eigene Handeln der Inhaber von Physiotherapiepraxen darstellen.

Die Chancen

Physiotherapeuten genießen in der Bevölkerung hohes Ansehen und Vertrauen, was nicht zuletzt darin begründet ist, dass der Beruf des Physiotherapeuten geschützt ist und somit einen gewissen Qualitätsgrad erwarten lässt. Die Berufsbezeichnung Fitnesstrainer oder Personal Trainer ist leider bislang nicht geschützt und auch die nicht geringe Anzahl an Wochenendkursen zum „Fitnesstrainer“, was einer breiten Bevölkerungsschicht durchaus bekannt ist, lässt den Fitnesstrainer nicht gleichwertig zum Physiotherapeuten erscheinen. Diesen Imagevorteil gilt es in ein an eine Physiotherapiepraxis angeschlossenes Fitnessstudio zu übertragen.

Auf der finanziellen Seite ist insbesondere der Blick auf die unterschiedlichen Rentabilitätsgrade interessant. Erreichen Physiotherapien nur eine Umsatzrentabilität von 1,6 Prozent , so können Fitnessstudios mit einer Umsatzrentabilität von 4,6 Prozent punkten. Bedenkt man, dass der Umsatz eines Einzelstudios mit 585.000 Euro deutlich größer ist als der durchschnittliche Umsatz einer Physiotherapie (224.000 Euro ), so wird deutlich, dass mit Fitnessstudios nicht nur höhere relative, sondern auch absolute Gewinne erzielbar sind.

Im demographischen Wandel liegt ein großes Potenzial für ein gesundheitsorientiertes Fitnessstudio, wie es auch für eine physiotherapeutische Praxis die optimale Ergänzung wäre. Die Kundengruppen mit dem größten Umsatzpotenzial für Physiotherapiepraxen (40 Jahre und älter), welche auch gleichzeitig die Hauptzielgruppe gesundheitsorientierter Fitnessanlagen darstellen, nehmen in den nächsten Jahren, gemessen an der Gesamtbevölkerung, einen immer größeren Anteil an der Bevölkerung ein. Dieses Potenzial gilt es zu nutzen.

Das größte Potenzial liegt natürlich in der Möglichkeit der Überleitung von Kunden der physiotherapeutischen Praxis in das angegliederte Fitnessstudio. Zufriedene Kunden, die sich in der Praxis gut aufgehoben gefühlt haben und ihren Therapieerfolg weiter verfestigen wollen, können ohne größeren finanziellen Aufwand in Form von Werbeausgaben und dergleichen als langfristige Kunden gebunden werden. Gleichzeitig besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass zufriedene Kunden des Fitnessstudios, falls eine Therapie notwendig wird, sich in diese Praxis begeben und somit weiteren Umsatz generieren. Ebenfalls besteht die Möglichkeit der Generierung von zusätzlichem Umsatz über den Verkauf von Wellnessleistungen wie bspw. Massagen etc., welche eine physiotherapeutische Praxis bietet.

Die Risiken

Marketing stellt für Fitnessstudios einen wichtigen Faktor in der Werbung von Neukunden dar. Somit ist es auch für ein an eine Physiotherapie angedocktes Fitnessstudio von großer Bedeutung. Möchte man Fitnessstudio und Physiotherapie als vollständiges Konzept bewerben, so gilt es die Einschränkungen zu beachten, welche das Heilmittelwerbegesetz diesbezüglich für physiotherapeutische Praxen bereithält. Die Konsultation eines fachkundigen Anwalts im Vorfeld einer Werbeaktion wird damit wärmstens empfohlen, um sich vor unnötigen Rechtsstreitigkeiten bereits frühzeitig abzusichern.

Ein nicht zu unterschätzender Risikofaktor liegt in der Tatsache, dass Fitnessstudios heute mit einer weitaus stärkeren Konkurrenz zu kämpfen haben. Gemäß aktuellen DSSV-Eckdaten 2018 schätzen über 50% der befragten Studioinhaber ihre Konkurrenzsituation vor Ort als „stark“ oder sogar „sehr stark“ ein . Dies erfordert eine ausgiebige Beschäftigung mit der Situation vor Ort (eventuell unter Zuhilfenahme externer Berater) und der Analyse, ob sich ein weiteres Fitnessstudio überhaupt noch innerhalb des jeweiligen Einzugsgebietes rentiert.

Der wesentliche Erfolgsfaktor und damit bei Nichtgelingen das größte Risiko besteht darin, wie groß der Anteil der Patienten der physiotherapeutischen Praxis ist, welche als Selbstzahler für das Fitnessstudio gewonnen werden können. Die Schwierigkeit dieser Überführung von der (für den Kunden) kostenfreien Praxisleistung zur kostenbehafteten Leistung des Fitnessstudios wird besonders deutlich darin, wenn man betrachtet, wie viele Beratungsunternehmen hierzu existieren. Eine Überleitung der Kunden erfordert ausgiebige und kontinuierliche Planung, Kontrolle und Anpassung der internen Prozesse und ist kein Selbstläufer.

Durch die eigenen Patienten alleine kann das neue Fitnessstudio allerdings nicht erfolgreich sein. Es müssen aktiv neue Kunden geworben und im Rahmen eines Beratungsgesprächs überzeugt werden. Dies bereitet allerdings vielen Physiotherapeuten oftmals Probleme, da der Alltag eines Therapeuten im Normalfall keine Verkaufsgespräche beinhaltet. Entsprechendes Verkaufstraining und auch eventuell eine professionelle Hilfe zu Anfang kann hier sinnvoll sein.

Fazit

Sofern die regionalen Gegebenheiten vor Ort ein weiteres Fitnessstudio ermöglicht bzw. die Chancen die Risiken überwiegen, so ist einem Physiotherapeuten eine entsprechende Erweiterung seiner Praxis zu empfehlen. Allerdings muss reflektiert werden, dass trotz der guten Chancen, die für Physiotherapeuten bestehen, ein entsprechendes Fitnessstudio keinen Selbstläufer darstellt. Im Vorfeld muss die Marktsituation ausreichend analysiert und die Wirtschaftlichkeit darauf basierend unter Beweis gestellt werden. Konzepte und Prozesse müssen ebenfalls im Vorfeld detailliert geplant und anschließend stetig kontrolliert und eventuell angepasst werden, falls die Situation es erfordert. Wird dies konsequent verfolgt, so kann ein Fitnessstudio für einen Physiotherapeuten ein großes Erfolgspotenzial bieten.

Du findest diesen Artikel auch in der BODYMEDIA Physio 2/2018.

Literaturverzeichnis

Deutscher Sparkassen Verlag GmbH (2015): „Physiotherapie, Massagen – BranchenReport 2014“, Deutscher Sparkassen Verlag GmbH, Stuttgart

DIFG e.V. (2017): „BRANCHENREPORT 2017 – Die wirtschaftliche Lage der Fitnesswirtschaft“, Deutscher Industrieverband für Fitness und Gesundheit e.V., Düsseldorf

Kamberovic, Refit / Fütterer, Sabrina / Hollasch, Karsten / Menzel, Fabian / Capelan, Ralf / Papathanassiou, Vassilios / Marx, Janosch (2018): „Eckdaten der deutschen Fitness-Wirtschaft“, DSSV e.V., Hamburg