Die Corona-Krise hat der Fitnessbranche vor Augen geführt, wie leicht der Kontakt zu den Mitgliedern verloren gehen kann und wie wichtig es somit ist, auch außerhalb des Studios in Kontakt mit diesen zu bleiben. Die Bedeutung der Kundenbeziehung und ihrer Berührungspunkte ist schon lange klar und jedes Mitglied kann mal aus beruflichen oder privaten Gründen am Training vor Ort gehindert sein, aber die vergangenen Monate haben uns gezeigt, dass dies noch kein Hinderungsgrund für die Betreuung der Kunden sein muss. Das hybride Studiomodell kann hier die Lösung der Zukunft sein. 

Was ist das hybride Studiomodell?

Wenn das klassische örtliche Fitnessstudio um ein digitales Serviceangebot ergänzt wird, dann sprechen wir vom sogenannten “hybriden Studiomodell”, also einem Modell, das sich aus mindestens zwei Komponenten zusammensetzt. Ziel eines solchen Konzeptes ist es, Kunden neben den üblichen Offline-Leistungen (klassische Komponente), wie etwa der Zugang zum Fitnessstudio oder die Teilnahme an klassischen Kursen vor Ort, auch Online-Services anzubieten (ergänzende Komponente). Das können sämtliche online zur Verfügung gestellten Leistungen sein, zum Beispiel online abgebildete Kurse, die live gestreamt werden, oder digitale Kundenbetreuung durch das Trainerteam. 

Warum sollte ich es umsetzen?

Gerade bei noch relativ jungen Trends bietet sich für Betreiber die Möglichkeit, Entwicklungen nicht nur hinterherzurennen, sondern sie als Pioniere aktiv mitzuprägen. Wenn sich Kundenbedürfnisse ändern, dann tun Anbieter gut daran, ihr Angebot entsprechend anzupassen. Die frühe Einführung eines hybriden Studiomodells kann hier ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber dem Wettbewerb darstellen. 

Mittels eines zusätzlichen Online-Angebots lassen sich etwa solche potenziellen Mitglieder bedienen, die schlichtweg nicht gern in ein Studio gehen, zum Beispiel weil das Training zwischen athletischen Zielgruppen einschüchternd sein kann, oder die zeitlich am liebsten sehr flexibel Sport treiben, beispielsweise wenn das Kind gerade einen Mittagsschlaf hält. Durch Online-Optionen geben Betreiber ihren Mitgliedern die Chance, Kurse, Trainingsinhalte oder Ähnliches ganz einfach von zuhause abzurufen und so ihrem Training nachzugehen. Durch eine solche bedürfnisorientierte Kundenbedienung lässt sich idealerweise die Fluktuation senken, denn die Mitglieder werden dort abgeholt, wo sie gerade sind. 

Außerdem bieten sich hier Chancen, Mitglieder auch über die physischen Studiogrenzen hinaus zu betreuen, wenn sie beispielsweise verreisen oder umziehen und dennoch weiter Teil des Studios sein möchten. Insgesamt ist es im Sinne des hybriden Studiomodells ein wichtiger Schritt, sich von dem Gedanken freizumachen, dass ein Fitnessstudio immer an einen physischen Standort gebunden ist. Denn wenn Kunden auch online bedient werden und zumindest für diese Modellkomponente der Ort der Anlage irrelevant wird, dann lassen sich potentielle Neumitglieder auch über das physische Einzugsgebiet hinaus akquirieren. Beispielsweise können so Freunde oder Familienmitglieder gemeinsam Kurse besuchen, obwohl sie weit voneinander weg wohnen, und somit trotz der geographischen Distanz zusammen trainieren. 

Ein anderes, sehr aktuelles Beispiel ist die Online-Betreuung von Risikogruppen während der Covid-19-Pandemie. Mit Hilfe des hybriden Modells kann ihnen nicht nur während des Lockdowns, sondern auch danach eine Möglichkeit geboten werden, mit der sie ihr Training risikolos absolvieren können. 

Die Beispiele zeigen: mit einem hybriden Studiomodell lassen sich für Betreiber gänzlich neue Verkaufsmöglichkeiten anstreben. Wichtig ist es auch hier wieder, die Kundenperspektive einzunehmen und eine Leistung entsprechend zu gestalten, damit sie die Mitglieder möglichst optimal bedient. Online-Angebote wie Live-Streams für Kurse lassen sich auf der einen Seite sehr leicht skalieren. Somit können viele Kunden gleichzeitig betreut werden, ohne die Kosten, in dem Fall den Einsatz der Mitarbeiter oder die Nutzungslizenz für einen Streamingdienst, proportional zu steigern. Auf der anderen Seite gilt es dennoch, Kunden eine hochwertige (möglichst individuelle) Betreuung zu liefern, um den Mehrwert einer Mitgliedschaft weiter zu untermauern. 

Wie setze ich das hybride Modell um?

Die Umsetzung eines hybriden Modells ist, auch mangels umfangreicher Literatur und Best-Practice-Beispielen, nicht einfach. In vielerlei Hinsicht muss ein neuer Weg gegangen werden und bestimmte Dinge auch einfach mal ausprobiert werden. Vieles fällt unter die Kategorien “Trial and Error” oder auch “Learning by Doing”. Gewisse Grundsätze können aber doch definiert werden. Diese sollen hier zumindest kurz angesprochen werden, um den Leser darauf aufbauend zu weitergehenden Gedanken anzuregen.

Technische Ebene

Besondere Bedeutung kommt dem technischen Background zugute. Es wird eine Plattform benötigt, auf der sich Kunden und Mitarbeiter gegenseitig finden und in eine wie auch immer geartete Interaktion treten können. Diese Plattformen müssen für das Abbilden der Online-Komponente die gesamte Customer Journey abdecken können und somit Tools enthalten, die Touchpoints wie Akquise, Kundenkommunikation, (Video-) Streaming etc. ermöglichen. Sinnvollerweise bilden Sie das Ganze auch in einer App ab, um die Zugänglichkeit insbesondere für die jüngere Generation zu optimieren. Es gibt durchaus einige Anbieter, welche die allermeisten Teile dieser Anforderungen bereits erfüllen. Allerdings obliegt es den Betreibern, hier eine individuell passende Lösung für sich zu identifizieren und zu nutzen. Befassen Sie sich einfach mit den vorhandenen Anbietern, definieren Sie Ihre Anforderungen und wählen Sie den dazu passenden aus. 

Ein weiterer wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist auch, dass Sie Ihre vorhandenen Betriebsprozesse in die neue digitale Ebene transferieren müssen. Die Digitalisierung eines Prozesses erfordert in der Regel auch eine gewisse Standardisierung desselbigen. Stellen Sie sich also die Frage, inwiefern in Ihren aktuellen Prozessen Standardisierungspotentiale schlummern, bevor Sie diese in die digitale Landschaft heben wollen. Gerade hier kann auch eine externe Unterstützung sinnvoll sein.

Organisatorische Ebene

Organisatorisch müssen Sie die Online-Sparte als eigene Business-Unit betrachten und auch entsprechend behandeln. Dies bedeutet insbesondere, dass für diese eine eindeutige Person festgelegt werden muss, die diesen Bereich verantwortet und gegebenenfalls beteiligte Mitarbeiter führt. Diese sollte die Bereitschaft mitbringen, sich mit diesen neuen Themen zu beschäftigen und sich darin aktiv einzuarbeiten. Dies kann der Studioinhaber sein, wenn er oder sie über diese Bereitschaft verfügt. Alternativ ist es empfehlenswert, diese Sache in andere verantwortungsvolle Hände aus dem eigenen Team zu legen.

Die Behandlung als eigene Business-Unit ist so wichtig, da auf diese Weise die Profitabilität besser getrackt und bewertet werden kann. Nur so können Sie feststellen, ob Maßnahmen greifen und das Konzept überhaupt bei Ihnen über ausreichenden Zuspruch verfügt. Das notwendige “Trial and Error”-Vorgehen funktioniert nicht ohne konsequentes Controlling. 

Preisliche Ebene

Hinsichtlich der Preisfindung wird sich der eine oder andere Fitnessstudioinhaber sicherlich schwer tun. Gerade mit Blick auf das vergangene Jahr 2020 und den zahlreichen kostenfreien digitalen Angeboten der Studios für ihre Kunden fällt es vielen Entscheidern schwer, hier nun einen Preis zu definieren. Final gehört dieser Schritt aber zu den Basics Ihrer Preispolitik, denn auf Dauer können kostenfreie Inhalte Ihre Profitabilität gefährden.

Denkbar sind im Grunde drei Mitgliedschaften, die unterschiedlich bepreist werden können: Online, Offline und Hybrid. Der Offline-Preis dürfte das geringste Problem sein, schließlich ist dieser schon längst in jedem Studio klar definiert. Online als eigene Leistung ohne zusätzliche Studiomitgliedschaft muss sich mit den bestehenden Angeboten diverser Sport-Apps-Anbieter messen. Bisherige Angebote für Online-Only-Mitgliedschaften bewegen sich im Bereich von zehn Euro, was möglicherweise die obere Grenze der Zahlungsbereitschaft für ein solches Angebot sein dürfte. Betrachten wir die hybride Mitgliedschaft, so sind auch hier wieder drei Varianten denkbar: inkludiert in den Mitgliedspreis Offline als quasi “Goodie” (1), zu einem geringeren Preis dazu buchbar als Ergänzung (2) oder als eigenständige Mitgliedschaft für jeden ohne Preisunterschiede buchbar (3). Jede Variante hat ihre Vor- und Nachteile, hier muss eine individuelle Entscheidung für jedes Fitnessstudio getroffen werden. 

Im Rahmen der Preisfindung kann auch das von zahlreichen Apps bekannte sogenannte Freemium-Preiskonzept interessant sein. Die Diskussion dieses Konzepts würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, wird allerdings in einem kommenden Artikel als innovative Preisfindungsmöglichkeit für Fitnessstudios eingehend besprochen. Bleiben Sie gespannt. 

Fazit

Es hat sich gezeigt, das hybride Studiomodell kann eine Lösung für die aktuelle Situation in der Fitnessbranche sein und macht das jeweilige Studio gleichzeitig fit für die Zukunft. Noch bietet die Etablierung dieses Modells die Chance, sich als First-Mover Wettbewerbsvorteile zu sichern. Zukünftig wird es, zumindest nach Meinung der Autoren dieses Artikels, eher die Regel als die Ausnahme in deutschen Fitnessstudios sein. 

Vielen Dank an Stefan Rauch, der mich als Co-Autor bei diesem Artikel unterstützt hat.

Du findest diesen Artikel auch in der TT-Digi Ausgabe 1-21.

Literaturverzeichnis

Armento, Melania (2020): “Lockdown bis nach Weihnachten: Wie gehen Fitnessstudios mit dem zweiten Lockdown um?”, online abrufbar unter https://business.virtuagym.com/de/blog/teil-lockdown-bis-weihnachten-wie-gehen-fitnessstudios-mit-dem-zweiten-lockdown-um/ (Stand: 30.12.2020)

Gode, Solveig (2020): “DJs, Onlinekurse, flexiblere Tarife: Wie sich Fitnessstudio-Ketten wie McFit und Fitness First auch nach der Corona-Pandemie verändern werden”, online abrufbar unter https://www.businessinsider.de/wirtschaft/djs-onlinekurse-flexiblere-tarife-wie-sich-fitnessstudio-ketten-wie-mcfit-und-fitness-first-auch-nach-der-corona-pandemie-veraendern-werden/ 

Heitmann, Lena (2020): “Wieso ein hybrides Online UND Offline-Angebot unersetzlich ist”, online abrufbar unter: https://business.virtuagym.com/de/blog/wieso-ein-hybrides-online-und-offline-angebot-unersetzlich-ist/ (Stand: 30.12.2020)

Roth, Jost-H. (2020): “Digitale Erfolgspotenziale nach dem Restart”, online abrufbar unter: https://www.fitnessmanagement.de/digital/digitale-erfolgspotenziale-nach-dem-restart (Stand: 30.12.2020)