Diese Analyse setzt sich mit dem sogenannten KANO-Modell und dessen Übertragungsmöglichkeit auf die Fitnessbranche auseinander. Es wird dargelegt, wie mit Hilfe des KANO-Modells die spezifischen Kundenbedürfnisse in Anbetracht einer sich in der Differenzierung befindlichen Fitnessbranche ermittelt werden können. Beispielhaft werden die Anforderungsmerkmale anhand einer Musteranlage der Eckdaten der deutschen Fitness-Wirtschaft 2014 erörtert. Abschließend werden auf Basis des KANO-Modells strategische Implikationen für Inhaber/-innen bzw. Geschäftsführer/-innen gebildet, um die Leistungsmerkmale der eigenen Fitnessanlage zu optimieren und so die Mitgliederzufriedenheit zu verbessern.

Hinführung zur Thematik

Die Fitnessbranche hat in den vergangenen Jahren große Wandlungen vollzogen. Dies ist nicht zuletzt auf die sich stark verändernden und differenzierenden Kundenbedürfnisse zurückzuführen. Zusammen mit dem steigenden Wettbewerbsdruck innerhalb der Branche sehen sich die Anbieter dazu gezwungen, ihr eigenes Angebotsprofil von dem der Konkurrenten zu differenzieren (vgl. Hollasch/Menzel/Gronau/Struckmeier/Kremer 2014, S. 25). Häufig stehen die Anbieter dabei allerdings vor dem Problem, die Bedürfnisse der eigenen Zielgruppe auf die verschiedenen Merkmale einer Fitnessanlage zu übertragen, um ein entsprechendes Angebotsportfolio zu erstellen. Um ein besseres Verständnis dieser Kundenanforderungen zu erlangen, bietet das sogenannte KANO-Modell einen ersten Lösungsansatz. Dies bietet für Geschäftsführer und Inhaber von Fitnessanlagen, im Falle der Übertragung auf die spezifische Zielgruppe der untersuchten Fitnessanlage, eine Möglichkeit notwendige Investitionen vorzunehmen und unrentable Investitionen zu unterlassen.

Im Folgenden sollen zuerst die theoretischen Grundlagen des KANO-Modells erläutert werden, bevor für eine Musteranlage eine Einordnung der Merkmale in die verschiedenen Klassifikationen vorgenommen wird. Abschließend sollen für Fitnessanlagen basierend auf dem KANO-Modell strategische Implikationen für den Studioalltag gebildet werden.

Die Theorie: das KANO-Modell

Zur Ermittlung welche Faktoren für die Kunden von Relevanz sind und schlussendlich die Zufriedenheit im Zusammenhang mit der durch ein Unternehmen dargebotenen Leistung ausmachen, bietet sich das KANO-Modell als gute Grundlage an. Das KANO-Modell, benannt nach dem japanischen Professor Noriaki Kano, unterscheidet dabei zwischen den drei folgenden Anforderungsmerkmalen (vgl. Kano 1984, S. 39ff.):

  • Basisanforderungen

Diese Merkmale werden von Seiten der Kunden als selbstverständlich angesehen. Ihre Anwesenheit wird zwar nicht honoriert, allerdings führt ihre Abwesenheit zu großer Unzufriedenheit.

  • Leistungsanforderungen

Stellen die grundsätzlichen Anforderungen der Kunden an ein Produkt oder eine Dienstleistung dar, deren Erfüllung zu Zufriedenheit und deren Nichterfüllung zu Unzufriedenheit führt.

  • Begeisterungsanforderungen

Diese Merkmale werden von den Kunden nicht erwartet, sodass ihre Abwesenheit keine Unzufriedenheit auf Kundenseite auslöst, ihre Anwesenheit dafür aber meist einen hohen Zufriedenheitsgewinn nach sich zieht.

Die Anforderungsmerkmale sind zusätzlich noch in Abbildung 1, welche die Anforderungsmerkmale in Zusammenhang mit deren Erfüllungsgrad und der Kundenzufriedenheit bringt, zusammengefasst.

Faktoren der Mitgliederzufriedenheit
Abbildung 1: Das KANO-Modell

Übertragung des KANO-Modells auf die Fitnessbranche

Das zuvor vorgestellte KANO-Modell soll nun auf die Fitnessbranche übertragen werden. Dies geschieht anhand eines „Studios mit einer ausdifferenzierten Anlagenstruktur, also solche Fitness-Anlagen, die einen Krafttrainings-, Cardio-, Gruppentrainings, Wellness und Tresenbereich besitzen…“ (Kamberovic/Fütterer/Gronau/Hollasch/Capelan/Papathanassiou 2014, S. 28). Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass die folgende Einordnung der verschiedenen Anforderungsmerkmale insbesondere auf Special-Interest-Studios nicht übertragen werden kann. Diese werden von Kunden selbstverständlich anders wahrgenommen, so dass sich auch das Anforderungsprofil dieser Anlagen klar unterscheidet.

Tabelle 1 fasst die Anforderungsmerkmale an eine Fitnessanlage zusammen und ordnet diese in die Klassifizierungen des KANO-Modells ein. Grundsätzlich muss bei der Einordnung der Merkmale immer die Frage gestellt werden, inwiefern sich das Vorhandensein und das Nichtvorhandensein des Merkmals auf die Kundenzufriedenheit auswirken würde. Zusätzlich wird im Rahmen dieser Analyse zwischen materiellen, also für den Kunden objektiv erkennbaren, und immateriellen bzw. subjektiven Merkmalen unterschieden. Als kurze Anmerkung soll gesagt sein, dass Tabelle 1 keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.

Tabelle 1: Einordnung der Anforderungsmerkmale

materiellimmateriell
BasisanforderungenSauberkeit & HygieneFreundlichkeit
LeistungsanforderungenKrafttrainingsgeräteVerkaufsgespräche
Cardiotrainingsgeräte(Gruppen-)Trainer
Gruppentraining
Wellnesbereich
Gastronomie
BegeisterungsanforderungenZusatzangebote

Nachfolgend soll die Einordnung der einzelnen Merkmale erläutert werden:

Sauberkeit & Hygiene der gesamten Anlage stellen eine Basisanforderung der Kunden dar, da ihre Anwesenheit selbstverständlich erwartet wird, aber eine besondere Sauberkeit & Hygiene nicht vom Kunden als qualitätssteigernd wahrgenommen wird. Auf die gleiche Weise ist das immaterielle Merkmal Freundlichkeit einzuordnen.

Die materiellen Leistungsanforderungsmerkmale die Krafttrainings- und Cardiotrainingsgeräte, das Gruppentraining, der Wellnessbereich und die Gastronomie stellen für Kunden die grundsätzlichen Leistungsmerkmale einer Fitnessanlage dar. Entsprechend stellen diese auch in deutschen Fitnessanlagen den größten Teil des Leistungsumfangs (vgl. Kamberovic/Fütterer/Gronau/Hollasch/Capelan/Papathanassiou 2014, S. 24). Grundsätzlich können diese zunächst nach quantitativen Kriterien unterteilt werden, indem die folgenden Fragen beantwortet werden: Wie viele Krafttrainings- und Cardiotrainingsgeräte gibt es? Wie viele Kurstunden pro Woche in wie vielen verschiedenen Kursformaten gibt es? Wie groß ist der Wellnessbereich (Anzahl Saunen, Dampfbäder, etc.)? Wie groß ist die gastronomische Auswahl? Weiterhin ist auch noch eine Unterscheidung nach qualitativen Kriterien möglich, indem wiederrum die folgenden Fragen beantwortet werden: Wie gut/modern sind die Krafttrainings- und Cardiotrainingsgeräte? Wie gut/modern ist der Kursraum ausgestattet? Wie hochwertig sind die angebotenen Getränke und Speisen in der Gastronomie? Auf eine Beantwortung dieser Fragen wird an dieser Stelle bewusst verzichtet, da diese sich immer an der spezifischen Zielgruppe einer Fitnessanlage orientiere sollte. Allerdings bieten sie für eine/-n Inhaber/-in oder Geschäftsführer/-in eine gedankliche Grundlage zur Bewertung des Leistungsportfolios der eigenen Anlage bzw. bieten eine Ausgangsstellung zur Durchführung einer Kundenbefragung zur Messung des notwendigen Erfüllungsgrades.

Die immateriellen Leistungsanforderungsmerkmale (das Verkaufsgespräch, die Trainer-/ Kursstunden und der Kundenservice) sind ebenfalls für den wahrgenommenen Nutzen einer Fitnessanlage durch die Kunden verantwortlich. Im Unterschied zu den Leistungsmerkmalen im vorherigen Absatz sind diese allerdings quasi nicht quantifizierbar. Die Wahrnehmung dieser Ebene spielt sich stark auf einer emotionalen Ebene ab. Probate Mittel, um zumindest ansatzweise diese Leistungsmerkmale überprüfen zu können, stellen das sogenannte Mystery Shopping und Kundenbefragungen dar.

Die Begeisterungsanforderungsmerkmale können so vielfältig sein, dass diese hier unter dem Oberbegriff Zusatzangebote zusammengefasst werden. Grundsätzlich kann dies alles sein, was der Kunde nicht erwartet und gleichzeitig für diesen einen zusätzlichen Nutzen stiftet. Laut den Eckdaten der deutschen Fitnesswirtschaft 2014 sind mehr oder weniger häufige Zusatzangebote in deutschen Fitnessanlagen Functional-Training, EMS, Personal-Training, Vibrationstraining, Racket und Schwimmbäder (vgl. Kamberovic/Fütterer/Gronau/Hollasch/Capelan/Papathanassiou 2014, S. 25). Darüber hinaus sind aber der Fantasie des/der Inhabers/-in oder Geschäftsführers/-in einer Fitnessanlage keine Grenzen gesetzt.

Strategische Implikationen für Fitnessstudios basierend auf dem KANO-Modell

Basierend auf den bisherigen Ergebnissen sollen nun strategische Implikationen für Fitnessanlagen hergeleitet werden. Diese strategischen Implikationen setzen die Kenntnis der Anforderungsmerkmale und insbesondere deren Klassifikation in das KANO-Modell voraus. Zur korrekten Ermittlung dieser kann die Zuhilfenahme einer Unternehmensberatung angebracht sein.

In einem ersten Schritt sollte jede Fitnessanlage die Erfüllung der Basisanforderungen gewährleisten. In der Fitnessbranche stellen dies insbesondere die Merkmale Sauberkeit und Hygiene sowie Freundlichkeit dar. Je nach spezifischer Zielgruppe können natürlich auch andere Merkmale als Basisanforderungen gelten. Beispielsweise ist für ein EMS-Trainingsstudio das Vorhandensein eines entsprechenden Geräts selbstverständlich Pflicht. Da gleichzeitig aber der Einsatz mehrerer Geräte für den Kunden eines solchen Fitnessstudios keinen Mehrwert bietet, handelt es sie in diesem Fall um eine Basisanforderung speziell an EMS-Trainingsstudios.

Im zweiten Schritt sollten die Leistungsanforderungen mindestens in einem Maße erfüllt werden, so dass diese zumindest zu keinem negativen Nutzen führen. Die darüberhinausgehende Erfüllung der Leistungsanforderungen sollte immer unter Einbeziehung des Kosten-/Nutzenverhältnis des jeweiligen Merkmals geschehen. Übersteigt der potenzielle zusätzliche Nutzen (möglichst ausgedrückt in monetären Einheiten) einer weiteren Steigerung der Erfüllung der Leistungsanforderung die damit verbundenen Kosten, so ist die Steigerung des Erfüllungsgrad zu empfehlen. Ist sie negativ, ist es nicht zu empfehlen.

Zu guter Letzt sollte die Fitnessanlage über Zusatzangebote (Begeisterungsmerkmale) gegenüber der Konkurrenz differenziert werden. Hierbei sollte abermals das ausschlaggebende Kriterium das Kosten-/ Nutzenverhältnis eines Merkmals sein. Dies bedeutet, dass solche Kriterien zu präferieren sind, die bei geringsten Kosten den höchsten zusätzlichen Nutzen stiften. Legen wir wieder die Eckdaten der deutschen Fitnesswirtschaft 2014 (vgl. Kamberovic/Fütterer/Gronau/Hollasch/Capelan/Papathanassiou 2014, S. 25) zugrunde, so wäre Personal Training ein Beispiel für ein sehr gutes Kosten-/Nutzenverhältnis. Hier stehen keinerlei zusätzliche Kosten (sogar Mieteinahmen von den freiberuflichen Personal Trainern) einem Nutzengewinn durch das zusätzlich Angebot und dem (in den Augen der Kunden) zusätzlichem Personal gegenüber.

Die genauere Ausgestaltung der strategischen Implikationen sollte natürlich immer auf die spezifische Situation und Zielgruppe einer Fitnessanlage angepasst werden. Darüber hinaus erfordert die Frage nach der Umsetzung strategischer Empfehlungen besonderes Know-how. Hierfür kann die Zuhilfenahme einer Unternehmensberatung hilfreich und erforderlich sein.

Du findest diesen Artikel auch in der BODYMEDIA 4/2016.

Literaturverzeichnis

Bailom, F. / Hinterhuber, H.H. / Matzler, K. / Sauerwein, E. (1996): Das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit, in Marketing ZFP, Heft 2, 2. Quartal 1996, S. 117-126

Berger et. al. (1993): Kano’s Methods for Understanding Costumer-defined Quality, in: Hinshitsu: The Journal of Japanese Society for Quality Control, Fall 1993, S. 3-35

Hollasch, Karsten / Menzel, Fabian / Gronau, Niels / Struckmeier, Johannes / Kremer, Jan (2014): Der deutsche Fitnessmarkt. Studie 2014, München

Kamberovic, Refit / Fütterer; Sabrina / Gronau, Niels / Hollasch, Karsten / Capelan, Ralf / Papathanassiou, Vassilios (2014): Eckdaten der deutschen Fitness-Wirtschaft, Hamburg

Kano, N. (1984): Attractive Quality and Must-be Quality, in Hinshitsu: The Journal of Japanese Society for Quality Control, April 1984, S. 39-48